Izmirs Straßenkatzen sind fett. Je nach Stadtteil, müssten sie sogar auf Diet gesetzt werden. “Tombis”, sagen wir hier dazu. Viele Menschen kümmern sich um die Tiere, geben Futter und bauen kleine Auffangstationen aus Kartons und Boxen. Im Izmirer Stadtteil Mavisehir gibt es einen 2 * 3 Meter eingezäunten Parcours mit Kratzbäumen, Katzentoiletten, Schlafplätzen und Futterstellen für die Katzen der Gegend. Den Hunden geht es etwas schlechter. Das hat wohl auch viel mit der heiligen Schrift zu tun, in der Hunde einfach nicht so gut wegkommen wie Katzen. Sie gelten als unrein und sollten nicht im Haus gehalten werden. Ausserdem, die Katzen hier zu füttern ist leicht, aber Hunde benötigen einfach viel mehr an Futter und sind einfach schwerer satt zu kriegen. Dennoch gibt es auch hier herrliche Beispiele von Tierliebe. Als es Anfang Januar so sehr kalt war, haben Menschen im Stadtteil Bostanli Wolldecken auf die Strasse gelegt, damit Hunde darauf ein warmes Plätzchen finden.
Doch oftmals wird auch einfach nichts getan. So zum Beispiel letzten Sommer, wo in unserer Straße drei neugeborene Katzenbabys lebten. Die Mutter hat sie in unserem Garten auf die Welt gebracht, unser Hausmeister ihnen ein sicheres Versteck gebaut. Die Nachbarn haben über den Zaun geschaut, ihre Babys darüber gehalten und “oh, ah, wie süss” gesagt. Als die Katzenbabys dann größer wurden und eins davon eine Infektion bekam, passierte nix. Es konnte nicht mehr richtig durch die Nase atmen und konnte dementsprechend auch nicht mehr richtig das Futter riechen. Eine Nachbarin sagte “Allah bilir. Gott wird es schon wissen.” Das Katzenbaby war täglich in unserem Garten und auf der Strasse zu sehen, siechend, weniger werdend, verhungernd. Eines Tages packte ich meine Box und brachte es zu meinem Veterinär. 5 Tage haben wir um das Leben des Kleinen gekämpft, mit Infusionen, Spritzen, Zwangsernährung. Zu spät. Die Organe waren am versagen. Am letzten Tag hab ich den Kleinen in meinem Rucksack auf meiner Brust zum Vet getragen. Als ich den Rucksack öffnete, hob es nur schwach den Kopf und sah mich an als wollte es sagen: “Schön, dass du dich kümmerst. Aber ich möchte sterben.” An diesem Tag habe ich zum ersten mal die Entscheidung treffen müssen, ein Lebewesen einschläfern zu lassen.
“Can” heißt “Leben” auf Türkisch. Ständig und überall wird man “canim” gerufen, “mein Leben”. “Canlar” sind Lebewesen. Vor ein paar Wochen fand uns ein neues Lebewesen. Auf unserem Campus tauchte auf einmal eine kleine Herbstkatze auf. Lädiert, nur noch ein Auge, den Kopf schief und eine Entzündung im Ohr. Es war von einem Taxi angefahren worden. Es war einfach eines Tages da, blieb und eroberte unsere Herzen im Sturm. Wir bauten ein Katzenhaus, brachten es zum Veterinär um die Ohrenentzündung zu behandeln, gaben ihm Antibiotika und Tropfen und liebten es. Es blieb immer auf dem Grundstück in der Nähe des kleinen Katzenhäuschens und Nachts war es im Häuschen der Security. Letzte Woche wurde es von drei wilden Hunden auf dem Nachbargrundstück eingezingelt und so wild geschüttelt, das ihm das Rückrat brach. Die Security hat es gefunden. Als sie es uns am Montag morgen erzählten, hatten sie Tränen in den Augen.
Da wo Menschen in solchen Situationen helfen, ist es wie der bekannte Tropfen auf den heissen Stein. Es hilft an einem Ende, während am anderen Ende das Feuer anfängt zu brennen. Je länger ich in diesem Land lebe, umso weniger bin ich überzeugt davon, dass Futter geben auch nur irgendeine Lösung des Problems ist. Wenn wir Futter geben, dann sind wir ein Teil der Ursache des Problems. Wir verlängern das Leben der Straßentiere und damit letztendlich auch ihr Elend. Denn was fehlt, ist eine flächendeckende ärztliche Überwachung. DieseTiere leben in Rudeln und sind krank, voller Viren und Bakterien. Geben wir Futter, verringern wir den Prozess der natürlichen Auslese. Stattdessen unterstützen wir das sich Krankheiten verbreiten. Ein anderer Grund ist natürlich auch, dass einige Tierhalter hier sagen: “Bevor ich meine Katze/ Hund sterilisieren lasse, soll es wenigstens einmal Mutter werden.” Mit Verlaub, aber was für eine geballte Scheisse. Die Tiere kriegen doch nicht nur 1 Baby. Die kriegen gleich 4 oder mehr. Und wo gehen die hin? Und was macht dann der Besitzer? Lässt der sein Haustier auch erstmal einmal Mutter werden?
Es gibt meiner Meinung nach nur wenige Lösungen und die klingen hart! Haustierbesitzer müssen ihre Tiere sterilisieren lassen und das muss strengstens kontrolliert werden. Es müssen massive Bildungskampagnen durchgeführt werden. Und so hart es klingt, die auf der Straße lebenden Tiere müssen eingeschläfert werden, denn nur so ist dem Drama noch in irgendeiner Art und Weise beizukommen. Niemandem nützt es, wenn diese vor sich hin vegetieren und zu guter letzt schmerzhaft, weil sehr krank sterben und Krankheiten weiter übertragen.